Vom 7. bis zum 11. Februar fand die von uns als Initiative Jugend und Kultur e.V. seit Monaten geplante Gedenkstättenfahrt nach Buchenwald/Weimar statt. An der Fahrt beteiligten sich 14 junge Cottbusserinnen und Cottbusser, die diese intensive Zeit nutzen, um sich mit den unsagbaren Verbrechen des Nationalsozialismus, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Rechtsextremismus und eigene Konsequenzen aus dem Gelernten auseinanderzusetzen.
Von allen Teilnehmern wurde die Fahrt als große Bereicherung ausgewertet. Ein Teil hatte bereits – zum Beispiel im Rahmen des Schulunterrichts – KZ-Gedenkstätten besucht; für etwa die Hälfte der Gruppe allerdings war das eine gänzlich neue Erfahrung.
7. Februar: Anreise und Theaterbesuch
Mittwoch, der erste Tag unserer Reise, begann schon um 9 Uhr mit der Abreise vom Cottbusser Hauptbahnhof. Nach einer fast vierstündigen Zugfahrt erreichten wir Weimar und fuhren mit dem Bus zu unserer Unterkunft am Ettersberg, auf dem das KZ Buchenwald von den Nazis errichtet worden war, um es im begrenzten Maße von der Weimarer Öffentlichkeit zu trennen und den Witterungsbedingungen ungehemmt auszusetzen.
Am Nachmittag besuchten wir die Theateraufführung „Das vierte Reich“ im Weimarer Nationaltheater. Das Stück ist ein etwa halbstündiger Monolog, der von dem US-amerikanischen Theaterregisseur Neil LaBute geschrieben wurde. In Weimar wurde das Konzept mit einer anschließenden Diskussion mit dem überwiegend sehr jungen Publikum kombiniert.
Idee des Stücks ist es, typische Äußerungen, die die Verbrechen des Nationalsozialismus und insbesondere Adolf Hitlers als Person relativieren sollen, auf die Spitze zu treiben und das Publikum damit zu konfrontieren.
Wie es nach Aussage der Macher des Stücks üblich ist gab es kaum Reaktionen aus dem Publikum während des Stücks. Ein Großteil des Publikums verteidigte in der anschließenden Diskussion dieses passive Verhalten mit Verweis auf die unnatürliche Situation. Insbesondere darüber, ob die dargestellte Argumentation in ähnlicher Weise mittlerweile etwas alltägliches geworden ist oder weiterhin von dem erdrückenden Großteil der Gesellschaft massiv und entschieden abgelehnt wird, gab es eine kontroverse Diskussion.
Den Abend des Tages verbrachten wir in unserer Unterkunft, wo nochmals die Teilnehmer ihre Erwartungen für den nächsten Tag formulieren konnten und der organisatorische Ablauf besprochen wurden.
8. Februar: Der erste Tag in der Gedenkstätte
Als Gruppe hatten wir uns entschieden, nicht den Bus zur Gedenkstätte zu nehmen, sondern entlang der von Häftlingen erbauten fünf Kilometer langen Blutstraße zum ehemaligen KZ zu gehen. Der Name der Straße rührt von den vielen Todesopfern, die der Bau der Straße, ausgehungert und gehetzt von der SS, gefordert hat.
Schon dieser Beginn des Tages war eine eindrückliche Erfahrung für die Gruppe. Kaum vorstellbar wie Menschen, die in dünnen Kleidungsstücken und Holzschuhen statt in Winterjacken gekleidet waren, an solchen Wintertagen auf dieser Strecke gelitten haben müssen.
An der Gedenkstätte angekommen sahen wir zuerst den kurzen Dokumentarfilm KZ Buchenwald / Post Weimar, in dem zahlreiche Zeitzeugen zu Wort kommen. Der Film gibt einen bedrückenden Eindruck von der Lagerrealität.
Eine Mitarbeiterin der Gedenkstätte nahm sich daraufhin drei Stunden Zeit, um uns einige Teile der Gedenkstätte zu zeigen. Wir erhielten einen Überblick über die ganze Anlage zur Zeit der Nationalsozialismus, diskutierten die Spaltung zwischen und Ungleichbehandlung von verschiedenen Häftlingsgruppen ebenso wie die Willkür der NS-Justiz. Sehr eindrücklich war der Besuch in einer der wenigen noch erhaltenen Baracken des Lagers, die Teil des Krankentraktes war. Unter anderem konnten wir dort einige der bei Ausgrabungen gefundenen Fundstücke sehen und über ihren Zusammenhang zum Lageralltag sprechen.
Auch das Krematorium, mit den darin eingerichteten Gedenkraum besuchten wir an diesem Tag, allerdings in stillem Gedenken, an die unzähligen dort ermordeten Opfer.
Den Nachmittag verbrachten wir als Gruppe selbständig in der Dauerausstellung, die sich in der ehemaligen Häftlingsbekleidungskammer befindet. Besonders an der vor einigen Jahren komplett überarbeiteten Ausstellung ist, dass sie unter maßgeblicher Mitwirkung von ehemaligen Lagerhäftlingen erstellt wurde; es wird wohl das letzte Mal gewesen sein, dass das so möglich ist. Die Ausstellung hat einen sehr persönlichen Charakter und dokumentiert viele Biographien und Schicksale von einzelnen Häftlingen, sie stützt sich auf die Erinnerungen von Häftlingen, die einzelne Szenen und Erlebnisse schildern und verbindet dies mit den zahlreichen Exponaten aus dem Lageralltag.
Da unsere Gruppe sich sehr ausführlich mit der Ausstellung beschäftigen wollte, genügte die uns an diesem Tag verbliebene Zeit leider nicht für die ganze Ausstellung, da die Gedenkstätte schon um 16 Uhr schloss, machten wir uns also auf den Rückweg zu unserer Unterkunft, wo wir dann gemeinsam den Abend verbrachten.
Wir hatten zuvor vereinbart, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, im Laufe des Tages versuchen sollten, alle Momente oder Gegenstände, die sie besonders berührt haben, fotografisch festzuhalten. Diese wurden am Abend dann reihum vorgestellt.
9. Februar: Neonazismus und Kultur
Den Freitag nutzen wir auf vielfältige Weise. Nach dem Frühstück begann unser Programm mit einer Diskussion über die Aktualität des Rassismus und Neonazismus. Die Mordserie des NSU und das Versagen der Ermittlungsbehörden bei Aufklärung und Verhinderung wurde dabei besonders thematisiert. Hierzu hatte der Leiter unserer Fahrt ein Referat mit anschließender Diskussion vorbereitet.
Nach einem gemeinsamen Spaziergang durch die Stadt Weimar, bei dem wir ebenfalls kleinere Gedenkorte wie zum Beispiel das ehemalige Gestapogefängnis besuchten, gingen wir gemeinsam ins Stadtmuseum Weimar. In dem eine aus Baden-Württemberg stammende Sonderausstellung unter dem Titel „Galerie der Aufrechten – Bekannte und unbekannte Menschen des Widerstands gegen den Nationalsozialismus“. Hier haben verschiedene Künstler Portraits von verschiedenen Teilen des Widerstands gegen den Nationalsozialismus angefertigt und diese jeweils mit kurzen Biographien ergänzt. Das Spektrum der Ausstellung erstreckte sich vom christlichen über den jüdischen, bis hin zum politischen Widerstand.
In der Unterkunft zurück, teilte sich die Gesamtgruppe. Ein Teil beschäftigte sich mit der Vorbereitung des Abendprogramms für Freitag, ein anderer Teil bereitete bereits den Samstagabend vor.
Den Nachmittag und Abend, nutzen wir für eine eigene zuvor einstudierte Theateraufführung. Einige Teilnehmer führten Szenen aus Bertolt Brechts Furcht und Elend des Dritten Reichs auf. Im weiteren Verlauf des Abends trugen wir noch einzelne Gedichte aus dem antifaschistischen Widerstandskampf vor und sangen das Buchenwaldlied.
Besonders das letztgenannte Lied hatte eine sehr hohe emotionale Bedeutung für unsere Gruppe gewonnen, weil wir uns in den vergangenen Tagen mit seiner Geschichte auseinandergesetzt hatten. Es war von Häftlingen des KZ komponiert und gedichtet worden; zwar nutzte die SS es auch als Mittel zur Schikane, der Text aber machte es zu einem Mittel, die Moral unter den Häftlingen zu erhalten und somit zu einer der vielfältigen Formen des Widerstands.
10. Februar: Zweiter Besuch in der Gedenkstätte – Gedenken
Der letzte Tag, den wir vollständig in Weimar und Buchenwald verbringen konnten, hatte den Schwerpunkt Gedenken. Wir gingen morgens wieder zu Fuß zur Gedenkstätte und besuchten verschiedene Teile des ehemaligen Lagers, für die uns am Donnerstag die Zeit gefehlt hatte. Insbesondere das Häftlingsgefängnis „Bunker“, in dem SS-Offiziere zahlreiche vermeintliche und tatsächliche Widerstandskämpfer innerhalb des Lagers gefoltert hatten, aber auch weitere Teile des Häftlingskrankentraktes und den Steinbruch, wo sich jeweils ein Teil des Widerstands innerhalb des Lagers abgespielt hatte.
Auch die Teile der Dauerausstellung, die wir am Donnerstag aus Zeitgründen nicht mehr in Ruhe sehen konnten, besuchten wir an diesem Tag.
Eine Besonderheit der Buchenwalder Gedenkstätte sind die zahlreichen Gedenksteine, die auf dem Gelände verteilt sind. In der Gruppe hatten wir schon am Vortrag verschiedene Häftlingsgruppen (Juden, sowjetische Kriegsgefangene, Lagerwiderstand, Homosexuelle, Frauen) unter den Teilnehmern verteilt. Nun bereiteten sich die Teilnehmer auf je eine kurze Gedenkrede an den jeweiligen Gedenksteinen vor. Auch kleine Gedenkplakate hatten wir für einige der Gedenksteine vorbereitet.
Am Abend des letzten Tages schlossen wir eine eigene kleine Gedenkveranstaltung in einem der Aufenthaltsräume unserer Unterkunft an. Bei der einzelne der in Buchenwald oder in anderen Lagern ermordeten Menschen in den Vordergrund gestellt wurden und verschiedene Teilnehmerinnen und Teilnehmer personalisierte Gedenkreden mit passenden Fotos hielten
11. Februar: Rückreise
Den Abreisetag nutzen wir nach dem Frühstück noch für eine Auswertungsrunde, bei der alle Teilnehmer sagten, dass sie die Fahrt stark in ihrem persönlichen Verständnis für die Ausmaße der nationalsozialistischen Verbrechen weitergebracht habe. Ein guter Teil der Anwesenden sprach sogar von sich schon an, ob es Möglichkeiten für eine Wiederholung einer solchen Arbeit, eventuell auch in anderen Gedenkstätten, wie z.B. Auschwitz geben könnte.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen in einer Weimarer Pizzeria setzten wir uns dann in Zug zurück nach Cottbus.
Fazit
Messen wir die Fahrt an den vorher gesteckten Zielen, so sind verschiedene Erfolge zu verzeichnen. Mit 14 Personen kam eine starke Gruppe zusammen, die Atmosphäre innerhalb der Gruppe war durchgängig von Toleranz, gegenseitiger Hilfsbereitschaft und Zusammenhalt geprägt. Auch konnten mehrmals Rahmen geschaffen werden, in denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu tieferen Reflektionen über sich selbst, ihr bisheriges Verhalten und die Realität in Vergangenheit und Gegenwart unseres Landes gelangten.
Hervorzuheben ist insbesondere der auf empowerment ausgerichtete methodische Ansatz der Fahrt. Nahezu alle Programmpunkte wurden unter aktiver Mitwirkung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer durchgeführt, einige Punkte sogar von Teilen der Gruppe selbst vorbereitet.
Wir danken allen, die diese Gedenkstättenfahrt möglich gemacht haben für ihren Einsatz. Insbesondere unseren Gruppenleitern, den Referentinnen und Referenten und dem Team der Jugendherberge am Ettersberg. Ebenso wie dem LAP Cottbus und dem Förderprogramm „Demokratie leben!“ ohne deren Unterstützung diese Fahrt ebenfalls so nicht hätte durchgeführt werden können.